Corona hat die Diskussion „Alt gegen Jung“ neu entfacht. Das Zusammenleben zu fördern, ist wichtiger denn je, beispielsweise im Beruf oder mit generationsübergreifendem Wohnen.
Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
Weg vom Bild der „Tauben fütternden Alten“ hin zur lebenslustigen und aktiven Generation: Das Bild der Seniorinnen und Senioren hat sich in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren zum Besseren gewandelt. Das ist nicht zuletzt aufgrund der großen Anstrengungen des Seniorenbundes geschehen. Infolge der Coronakrise ist jedoch wieder eine Diskussion um „Alt gegen Jung“ aufgeflammt und hat dieses positive Bild ein Stück weit verdrängt.
Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec ist über diese Entwicklung entsetzt. „Die Über-60-Jährigen sind fast ein Viertel der Bevölkerung. Wir waren noch nie so aktiv, noch nie so fit, sowohl körperlich als auch geistig. Wir wollen auch dementsprechend wahrgenommen werden – wir sind da, wir sind wichtig und wir zeigen das auch“, betont sie.
Die wichtige Rolle der Seniorinnen und Senioren in der Gesellschaft ist unbestritten. Ältere Menschen betätigen sich überwiegend ehrenamtlich und schaffen so jährlich eine Wertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro. Dazu sind Seniorinnen und Senioren, vor allem Frauen, sowohl für die Enkelbetreuung als auch für die Pflege entscheidend. „Wir zahlen vierfach: Oft noch für unsere Eltern, dann für uns selbst, für unsere Kinder und Enkel. Letztere unterstützen wir mit durchschnittlich 120 Euro im Monat“, erklärt Ingrid Korosec und stellt fest: „Wir sind das Scharnier der Gesellschaft und nicht der Klotz am Bein der Jungen!“
Das Wissen der „alten Hasen“
Auch im Arbeitsleben wird immer stärker auf die Erfahrung und Fähigkeiten älterer Menschen gesetzt, die ihr Wissen an nachfolgende Generationen weitergeben können. „Vor allem im Verkauf, der Kundenberatung und im Service sind erfahrene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr gefragt“, erklärt Claudia Bachinger. Sie hat die Jobplattform „WisR“ gegründet, die sich auf die Vermittlung älterer Menschen spezialisiert hat. Diese „alten Hasen“ sind auch im Technikbereich gefragt, wo Expertise nicht nachgeschult wird. Als Paradebeispiel für ihre „Senior Experts“ nennt Bachinger einen 72-Jährigen, der ein Wiener Robotik-Startup mit seinem Wissen unterstützt.
Die Weichen für ein gutes Miteinander der Generationen werden nicht erst im Ehrenamt oder am Arbeitsplatz gestellt, sondern viel früher. Schon in den Familien herrschen zwischen älteren Menschen, ihren Kindern und ihren Enkeln unterschiedliche Wertvorstellungen. „Das Miteinander fehlt, wie es noch in meiner Jugendzeit war und das tut ein bisschen weh“, zeigt sich beispielsweise der 73-Jährige Pensionist Friedrich Kaupe in der W24-Sendung „Jetzt Miteinand“ enttäuscht.
Aufeinander zugehen
Diese Unterschiede sind unter anderem durch die Entwicklung unserer Kommunikationsmittel bedingt. Wer kennt die Aussage „Die Jungen spielen nur mehr die ganze Zeit am Handy“ nicht? „Ich glaube, mit unterschiedlichen Werten und Ansichten haben fast alle Familien zu tun, mich eingeschlossen“, meint Ingrid Korosec dazu. Gleichzeitig unterstreicht sie, wie wichtig der Kompromiss ist. „Da sind beide Seiten gefordert, also auch, dass die Großeltern auf die Enkel zugehen“.
Gemeinsames Wohnen trägt entscheidend dazu bei, Vorurteile abzubauen und mehr Verständnis zwischen Jung und Alt zu schaffen. „Generationsübergreifendes Wohnen ist unglaublich wichtig. Das ist Gebrauchtwerden von beiden Seiten“, erklärt Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec. Es gibt bereits viele Initiativen und Projekte wie das generationsübergreifende Wohngrätzl „Gleis 21“ in Wien oder Wohnprojekte in Seniorenresidenzen wie jener in der Wiener Josefstadt.
Alt und Jung als WG-Partner
Dort leben beispielsweise Studenten mit den älteren Heimbewohnerinnen und -bewohnern, engagieren sich in ihrer Freizeit, geben Englischkurse oder helfen mit Computer und Smartphone. „Die Jungen sind eine Verbindung mit der Welt draußen, das ist sehr erfrischend“, freut sich etwa die Bewohnerin Joan Salmang. „Wir teilen und lernen voneinander. Sie bringen uns bei, jung zu bleiben und wir zeigen ihnen, wie ältere Menschen ihr Leben bereichern können“, sagt sie.
Egal in welchem Bereich, für die Seniorenbund-Präsidentin ist eines klar: Es geht nicht ohne ein Miteinander von „jung und nicht mehr ganz so jung“, wie sie sagt. „Damit unsere Gesellschaft funktioniert, braucht es den kritischen Blick der Jugend und die Erfahrung der Alten. Ich sage immer: Die Jungen laufen schneller, aber die Senioren kennen die Abkürzung. Wenn wir das verbinden, erreichen wir unglaublich viel.“