Digitalisierung, Prävention, Regionaler Einkauf, Ortskernbelebung: Die Corona-Krise zwingt zum Umdenken in vielen Bereichen. Daraus erwachsen Chancen, auch für die ältere Generation.
Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
Selbstisolation, arbeiten von zuhause, kaum persönliche Kontakte – das Coronavirus und die Maßnahmen zu dessen Bekämpfung haben das Leben vieler Menschen auf den Kopf gestellt und teils schmerzhafte Einschnitte in den Alltag gebracht. Die Notwendigkeit, unsere Gewohnheiten in der Pandemie neu zu ordnen und zu überdenken, hat Entwicklungen und Veränderungsprozessen Vorschub geleistet, die zuletzt ins Stocken gekommen waren.
„Seit Jahren predigen wir, die Digitalisierung zu forcieren, immerhin ist sie vor allem für ältere Menschen das Tor zur Welt“, nennt Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec ein Beispiel. Die Eigeninitiative seitens der älteren Generation war bisher jedoch nicht bei allen groß genug.
„Das war lässig“
Das hat sich in der Krise schlagartig geändert. „Gerade Corona hat einen wesentlichen Digitalisierungsschub für Jung und Alt gebracht“, erklärt Ulrike Domany-Funtan, Geschäftsführerin des Vereins „fit4internet“, der auch Computer- und Smartphone-Kurse für Seniorinnen und Senioren anbietet. Vor Corona hätten sich 40 Prozent der älteren Generation nicht in der digitalen Welt bewegt. Die Krise wäre wie ein Sprung ins kalte Wasser gewesen. Dementsprechend groß waren auch die Erfolgserlebnisse. „Auf einmal musste ich mich mit WhatsApp auseinandersetzen. Das hat mich dann richtig gefreut, dass ich das von alleine geschafft hab, das war lässig“, berichtet beispielsweise die Seniorin Helena Urbanek in der W24-Sendung „jetzt Miteinand“.
Ingrid Korosec zeigt sich erfreut über die zunehmende Technikbegeisterung der älteren Generation. „Die Großeltern skypen mit den Enkeln und vieles mehr – ich bin überzeugt, dass diese Entwicklung beibehalten wird.“
Gesundheitsprävention wichtiger denn je
Digitale Kommunikation ist für viele Menschen nicht nur sozialer Anknüpfpunkt, sondern auch lebenswichtig, wenn persönliche Kontakte unmöglich sind. Denn die daraus resultierende Einsamkeit und der Mangel an Aktivitäten machen vielen Menschen zu schaffen, insbesondere den rund 120.000 an Demenz Erkrankten. „Sie gehen in der Einsamkeit ein Stück weit in die Welt des Vergessens. Beziehungen und soziale Kontakte sind ein Lebenselixier, welches ihnen in der Krise teilweise genommen wurde“, warnt Maria Moser, Direktorin der Diakonie Österreich. „Die Folgen des Lockdowns lenken wieder den Blick darauf, dass umfangreiche Prävention – schon von Kindesbeinen an – wichtiger denn je ist, wenn die Menschen gesund alt werden wollen. Darin müssen wir unbedingt investieren“, unterstreicht Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec. „Ausgewogene Ernährung, ausreichend Sport und auch geistiges Training, etwa durch Lesen oder Denksportaufgaben, sind das A und O eines langen Lebens und auch eines guten Lebensgefühls“, stellt sie klar.
Ein Herz für den Ortskern und das Grätzl
Auch das Grätzl und die Ortskerne haben im Lockdown ihr Comeback gefeiert und sich den Weg zurück ins Bewusstsein der Menschen erkämpft. „Die Schwachstellen der Globalisierung werden in der Pandemie deutlich. Das sehen wir daran, dass beispielsweise eine Abkehr vom Billigstprinzip stattfindet und auf regionale Produktion gesetzt wird“, erklärt Ingrid Korosec. Außerdem würde die gute Qualität regionaler und heimischer Produkte wieder mehr geschätzt. „Die Bewohnerinnen und Bewohner waren geschockt, als sie gesehen haben, was passiert, wenn diese Angebote fehlen, wenn kein Leben mehr auf der Straße ist“, erzählt dazu Mirjam Mieschendahl, die seit 2016 mit der Plattform „Im Grätzl“, lokalen Geschäften und Angeboten eine Bühne gibt.
Ingrid Korosec, die selbst regelmäßig am Bauernmarkt einkauft, ist davon überzeugt, dass die Menschen ihre Liebe zum Regionaleinkauf dauerhaft wiederfinden werden. „Das wird weiter verfolgt und von den Menschen auch grundsätzlich angenommen“, bekräftigt die Seniorenbund-Präsidentin. Das hofft auch Mieschendahl, die daran erinnert, dass heimische Händler von den Anrainerinnen und Anrainern leben. „Man kann sich keinen lebendigen Stadtteil wünschen, wenn man die Angebote nicht nutzt.“
Jeder hat es selbst in der Hand
All diese Entwicklungen stimmen die Seniorenbund-Präsidentin trotz der schweren Auswirkungen des Coronavirus optimistisch. „Auch aus einer Krise kann man lernen“, gibt sie zu bedenken. „Vieles, was vor einigen Wochen noch als unmöglich galt, ist heute Realität“, betont sie. Gleichzeitig wünscht sie sich „eine Normalität des solidarischen Miteinanders, des bewussten, regionalen Konsums und des Nachdenkens, was es für ein glückliches Leben braucht.“ Den Schlüssel dazu habe aber jeder Mensch selbst in der Hand. „Uns bietet sich eine Vielzahl an neuen Chancen – nutzen wir sie auch!“, appelliert Korosec abschließend.