Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
Unser Pflege- und Gesundheitssystem zielt darauf ab, jedem Menschen eine bestmögliche und vor allem auch leistbare Versorgung zukommen zu lassen. Die Regelung der Pflege durch Länder und Gemeinden sorgt aber dafür, dass keine einheitliche Regelung insbesondere bei der Pflege einfach nicht vorhanden ist. Wirft man einen Blick auf die Tarif- und Angebotskataloge der Bundesländer, könnte man meinen, wir haben in Österreich nicht ein, sondern neun, mitunter stark unterschiedliche, Pflegesysteme.
Über die untragbaren Kostenunterschiede zwischen den Bundesländern im Pflegebereich habe ich zuletzt mit den Salzburger Nachrichten gesprochen. Als Beispiel habe ich dort die Kosten für mobile Dienste ins Feld geführt. Der österreichische Seniorenbund hat sich genau angesehen, wie viele Stunden mobiler Pflege zum Beispiel bei einer Durchschnittspension von 1200 Euro mit 451,80 Euro Pflegegeld für Pflegestufe 3 finanziert werden können (in der Grafik aufgeschlüsselt).
Die Stundensätze für Heimhilfen können sich bis um das Doppelte unterscheiden. Am meisten bekommt man noch in Niederösterreich, wo sich 55 Stunden Heimhilfe (Stundensatz 8,22 Euro) mit der Zuwendung der öffentlichen Hand finanzieren lassen. Im Burgenland hingegen muss bereits nach 27 Stunden (Stundensatz 16,90 Euro) in die eigene Tasche gegriffen werden. In Salzburg lassen sich die Kosten online nicht berechnen und in Wien müssen Pflegebedürftige erst durch den Fonds Soziales Wien begutachtet werden. Die dortigen Sätze sind nach Einkommen gestaffelt, maximal sind 19 Euro pro Stunde für eine Heimhilfe zu bezahlen.
Pflegebedürftige und Angehörige zahlen den Großteil
Dabei darf eines nicht vergessen werden: Bei Pflegestufe 3 braucht die pflegebedürftige Person mindestens 120 Stunden Betreuung pro Monat. Egal, wo sich der Wohnort befindet: Mit dem Pflegegeld allein kann eine Heimhilfe nicht einmal für die Hälfte dieser Zeit angestellt werden. Zu pflegende Personen und ihre Angehörigen müssen also unabhängig vom Bundesland bei den Pflegekosten kräftig mitzahlen. Wir sprechen hier über Beträge von 534 Euro (Niederösterreich), über 973 Euro (Tirol) bis hin zu 1572 Euro (Burgenland) – und das pro Monat. Geld, das an anderen wichtigen Stellen im Haushalt wie Lebensmitteln, Miete oder Freizeit, fehlt. Kosten, die Pensionen, Gehälter und Ersparnisse belasten.
Diese Zustände sind auf Dauer nicht haltbar und müssen dringend geändert werden. Es kann nicht angehen, dass der Wohnort darüber entscheidet, wie viel Hilfe sich vergleichbar pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen leisten können. Noch dazu, dass diese Unterschiede aufgrund einheitlicher Steuerpflicht auch nicht mit Abgabenerleichterungen abgefedert werden.
Einheitliche Standards müssen her
Je nach Wohnort kann die Pflege zuhause also schier unerschwinglich werden. Und das, obwohl alle Länder „mobil vor stationär“ postulieren, wenn es um Pflege und Betreuung geht. Der unübersichtliche Dschungel an unterschiedlichen Kosten und Leistungskatalogen sorgt aber dafür, dass mobile Dienste auf lange Sicht den stationären Pflegebereich nicht ausreichend entlasten werden können. Dabei wünscht sich der Großteil der älteren Menschen, in einem gewohnten Umfeld betreut zu werden und die eigenen vier Wände, die man sich oft selbst aufgebaut hat, nicht verlassen zu müssen.
Um das zu gewährleisten, ist es zwingend notwendig, einheitliche und verbindliche Kriterien zu Angebot, Kosten und Qualitätssicherung bei Pflege und Betreuung zu erstellen. Das gilt genauso für die Ausbildungsstandards von Pflegekräften. Dafür wären diese Kompetenzen beim Bund besser aufgehoben als bei den Ländern. Damit sich pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen sicher sein können, wie viel Hilfe für sie leistbar ist– egal, wo sie in Österreich leben.