Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
Darüber haben wir uns diese Woche mit dem Kurier (https://kurier.at/politik/inland/pflege-daheim-oevp-senioren-warnen-vor-neuem-guetesiegel/400410107) unterhalten. Denn das derzeit geplante Gütesiegel für Vermittlungsagenturen von 24-Stunden-Betreuung hält nicht, was es verspricht.
Wir wissen aus allen Studien, dass betreuungsbedürftige Menschen am liebsten und so lange wie möglich zu Hause betreut und mitunter gepflegt werden möchten. Derzeit werden rund 310.500 Menschen zu Hause ausschließlich durch die Familie, Freunde und 24-Stunden-Betreuerinnen und Betreuer versorgt. Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit bei der informellen Pflege weit vorne. Der Wunsch nach einer liebevollen, persönlichen Versorgung in den eigenen Wänden ist auch absolut nachvollziehbar und verständlich!
Doch die Hürden einer 24-Stunden-Betreuung zu Hause sind enorm. Denn trotz Förderungen kommt diese Pflege den Einzelnen sehr teuer, oft fehlt auch der entsprechende Wohnraum und das Angebot der Vermittlungsagenturen für eine 24-Stunden-Betreuung ist für die zu Betreuenden und deren Angehörigen äußerst intransparent, unübersichtlich und mit gravierenden Preisschwankungen verbunden. Laut VKI liegen die Preise getesteter Agenturen zwischen 39 und 100 Euro pro Betreuungstag.
Hinzu kommt, dass viele Agenturen mit einer Inkassovollmacht arbeiten. Das heißt: Bezahlt wird nicht direkt an die Betreuerin, sondern an die Agentur. Wie viel Honorar diese einbehält ist unklar. Derzeit gibt es rund 800 Vermittlungsagenturen in Österreich, die ohne ein verpflichtendes Qualitätssiegel und damit ohne einheitliche Standards arbeiten.
Vermittlungsagenturen an die Kandare nehmen
Dieser Zustand ist untragbar, denn gerade Privatpersonen müssen sich darauf verlassen können, dass sich in Österreich tätige Agenturen an objektivierbaren, verpflichtenden Qualitätskriterien orientieren und deren Einhaltung auch überprüft wird. In den letzten Wochen wurde mit dem Sozialministerium, der Wirtschaftskammer und einigen Trägerorganisationen ein neues Gütesiegel für Vermittlungsagenturen verhandelt – eine echte Verbesserung ist allerdings nicht geplant.
Die Kritikpunkte des Seniorenbunds im Detail:
- Ein Gütesiegel ohne gesetzliche Interessenvertretung: Bei der Erstellung dieses Gütesiegels wurde der Österreichische Seniorenrat, die gesetzliche Interessenvertretung von Österreichs Senioren, nicht eingebunden.
- Ein Gütesiegel auf freiwilliger Basis: Das Gütesiegel soll weiterhin nur auf freiwilliger Basis vergeben werden. Ein freiwilliges Qualitätszertifikat hilft aber weder den zu betreuenden Menschen noch ihren Angehörigen, noch den Betreuerinnen selbst. Es braucht eine gesetzliche Verpflichtung, sobald eine 24-Stunden-Betreuung durch einen Bundeszuschuss mitfinanziert wird!
- Ein Gütesiegel ohne formelle Deutschkenntnisse: Derzeit ist nur vorgesehen, dass „geeignete Betreuungskräfte“ herangezogen werden müssen. Diese Definition reicht nicht, um die Betreuungsqualität sicherzustellen. Deutschkenntnisse müssen ebenfalls formell nachgewiesen werden. Selbstverständlich mit entsprechenden Übergangsfristen für jene Betreuerinnen, die bereits in Österreich tätig sind.
- Ausländische Agenturen werden nicht in die Pflicht genommen: Gerade bei Vermittlungsagenturen mit Sitz im Ausland bestehen die meisten Probleme. Auch ausländische Agenturen müssen ein verpflichtendes Qualitätszertifikat erhalten. Hier sind Vereinbarungen mit den betroffenen Staaten abzuschließen.
- Eine Inkassovollmacht ohne Kontrolle: Agenturen, die mit einer Inkassovollmacht arbeiten, müssen in die Pflicht genommen werden. Alle neuen Aufzeichnungs- und Offenlegungsplichten der Agenturen müssen auch kontrolliert werden – etwa durch eine unabhängige staatliche Stelle wie den Rechnungshof.
Warum ist uns ein verpflichtendes Gütesiegel so wichtig? Weil uns die Erfahrung gezeigt hat, dass ein freiwilliges Gütesiegel wie etwa das 2013 eingeführte „Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Österreich“ nicht ausreicht. Von österreichweit 850 Alten- und Pflegeheimen verfügen gerade einmal 53 über dieses freiwillige Qualitätszertifikat. Freiwilligkeit ist ein hoher Wert. Bei der Vermittlung von Betreuerinnen und Betreuern, die in den eigenen vier Wänden uns selbst oder unsere Lieben betreuen, reichen freiwillige Lippenbekenntnisse jedoch nicht aus. Es geht hier auch nicht um eine Kriminalisierung oder um ein Misstrauensvotum gegenüber den Betreuerinnen. Aber es gibt Vermittlungsagenturen, die unseriös arbeiten und Betreuerinnen wie Angehörigen das Leben schwer machen und diese Agenturen sind an die Kandare zu nehmen. Und zwar zum Schutz der Betreuerinnen, der zu betreuenden Menschen und ihrer Angehörigen.
Ihre Ingrid Korosec