Das Thema der Woche
Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
erschienen am 15.11.2021
Viele junge Menschen und „Mid Ager“ sehen die anhaltende Nullzinspolitik als Chance, mit Aktieninvestitionen und Immobilienkäufen gute Gewinne zu machen. Vorab: ich gönne jeder und jedem einen Erfolg in diesem Bereich. Das hält mich jedoch nicht davon ab, die anhaltende Zinsflaute sowie die steigende Inflation zu kritisieren (diesen Samstag, 20. November, können Sie dazu einen Gastkommentar von mir im Kurier lesen) und besonders für eine Gruppe als gefährlich anzusehen: Nämlich die Seniorinnen und Senioren.
Denn gerade die ältere Generation hat den Großteil ihrer Geldreserven auf Sparkonten liegen. Geld, für das sie keine Zinsen bekommen und das aufgrund der Inflation immer weniger wert wird. Ich bekomme täglich Briefe von Seniorinnen und Senioren, die in Sorge sind, dass ihre Ersparnisse aufgefressen werden ohne dass sie etwas davon gehabt hätten. Dabei sollte dieses Geld doch als Notgroschen in der Pension dienen.
Was können wir dagegen tun? Viele Empfehlungen, wie die eingangs erwähnten Aktien- und Immobilieninvestitionen, sind für einen großen Teil der älteren Generation schlicht ungeeignet. Billige Kredite nützen nichts, wenn die Bank sie nicht an Seniorinnen und Senioren vergibt – Stichwort Altersdiskriminierung. Ein Haus- oder Wohnungskauf ist für viele ältere Menschen selten sinnvoll. Aktienspekulationen sind einer Generation, die sich in der Pandemie erst mit der Digitalisierung vertraut gemacht hat, auch nicht zumutbar.
Die Senioren zu stärken, stärkt auch die Wirtschaft
Die Europäische Zentralbank wäre gefragt, der Nullzinspolitik endlich ein Ende zu bereiten. Das wird jedoch kaum passieren, da die europäischen Staaten aufgrund der Krise weiterhin billige Kredite brauchen. Dabei würde eine Stärkung der Seniorinnen und Senioren die wirtschaftliche Erholung nachhaltig unterstützen. Denn mit unserer Kaufkraft, unseren milliardenschweren Steuerleistungen und unserem privaten Konsum kurbeln wir die Wirtschaft an. Wir sind nicht nur eine aktive Generation, wir sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor!
Aber auch wir als „neue Alte“ sind gefragt. Corona hat uns gezeigt, wie wichtig Digitalisierung für unseren Alltag ist. Ein sanftes Herantasten an das Thema Börse und progressive Sparformen scheint mir aus heutiger Sicht unausweichlich – nicht zuletzt, um die Kluft zwischen den Generationen zu verkleinern. Eines ist klar: Die schlechteste Investition ist Untätigkeit.
Ihre
Ingrid Korosec