Das Thema der Woche
Ingrid Korosec
Präsidentin des Österr. Seniorenbundes
Abgeordnete zum Wr. Landtag
Volksanwältin a.D.
erschienen am 20. Februar 2023
Frau Huber kommt nach einem Oberschenkelhalsbruch wieder nachhause. Zwar kümmert sich ihre Familie um sie, aber die ältere Dame lebt am Land und der nächste Facharzt ist rund 30 Kilometer entfernt. Noch dazu müssen ihr Diabetes sowie ihr Herzschrittmacher regelmäßig kontrolliert werden und sie braucht intensive Physiotherapie, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Situation ist für alle neu und herausfordernd.
Doch das Spital gibt ihr alle nötigen Geräte zur Kontrolle des Diabetes mit und schult sie ein. Wie bei ihrem Herzschrittmacher werden die gemessenen Werte regelmäßig an ihren Facharzt gesendet, der mit ihr die weitere Therapie bespricht und bei Bedarf einen Kontrolltermin vereinbart. Videochats, in denen ihr Physiotherapeut Frau Huber bei ihren Therapieübungen beobachtet und anleitet, ersparen ihr viele Kilometer Fahrtweg. Wenn ihre Familie Fragen zur Betreuung von Frau Huber hat, kann sie Pflegefachpersonal rasch via Telefonkonferenz kontaktieren und sich Hilfe holen.
Was in Österreich noch nach Fiktion klingt, ist beispielsweise in Skandinavien schon Realität. Während das digitale Gesundheitswesen in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt, haben andere Länder die Zeichen der Zeit viel früher erkannt und den Ausbau digitaler Strukturen und Dienste forciert. Estland beispielsweise hat seit seiner Unabhängigkeit 1991 den Kurs auf Digitalisierung gesetzt. E-Rezept, elektronische Patientenakten und ein nationales Gesundheitsportal gehören längst zum Alltag der estnischen Bevölkerung. Videokonsultationen und Ferndiagnosen sind seit 2012 erlaubt und in die ambulante Versorgung integriert, die Onlinebuchung von Arztterminen ist Gang und Gäbe. Die Patientinnen und Patienten haben trotz allem nach wie vor die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten und können den Zugriff darauf sperren lassen.
Finnland ist EU-Vorreiter, Österreich hat Nachholbedarf
Auch Finnland, das dünn besiedelt ist und wo die Wege zu Gesundheitseinrichtungen dementsprechend lang sind, setzt auf Telemedizin. Dort können beispielsweise Patientinnen und Patienten via App mit medizinischem Personal chatten, Erstdiagnosen erhalten und Termine vereinbaren. Nicht umsonst haben Gesundheitsminister Johannes Rauch und Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky das finnische Gesundheitssystem – übrigens EU-weit Vorreiter in der Vernetzung und Nutzung von Gesundheitsdaten – während einer mehrtägigen Reise genauer unter die Lupe genommen.
Die Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an den nordischen Ländern zu nehmen. Zwar wurden durch die Corona-Pandemie einzelne Innovationen wie das digitale Rezept vorangetrieben, der große Durchbruch lässt aber weiterhin auf sich warten. Auch Projekte wie die elektronische Gesundheitsakte ELGA, die Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzten einen besseren Überblick liefern und die Behandlung effizienter machen sollte, werden ihrem eigenen Anspruch noch nicht vollständig gerecht.
Pflegereform muss Rahmen für Digitalisierung des Gesundheitswesens bringen!
Wie groß der Nachholbedarf ist, zeigt der beispielhafte Blick in die Wiener Gemeindespitäler. Weder können virtuelle Arzttermine abgehalten werden, noch ist in allen Spitälern überhaupt die Online-Terminvereinbarung möglich. Auch die elektronische Patientenkurve, also eine Behandlungsakte, die alle wichtigen und aktuellen Daten zum Krankheitsverlauf auf einen Blick zeigt, ist immer noch nicht umgesetzt. Das kostet nicht nur alle Beteiligten Zeit, sondern auch viel Geld: Allein durch die Einführung der Teleberatung, also beispielsweise das Besprechen eines Laborbefundes online oder via Telefon, könnten österreichweit 1,5 Milliarden Euro eingespart werden.
Gerade Seniorinnen und Senioren können digitale Gesundheitsdienstleistungen das Leben vereinfachen und eine gute, freiwillige Ergänzung zum persönlichen Arztbesuch sein.
Darum ist für mich klar, dass die Digitalisierung im Pflege- und Gesundheitswesen ein elementarer Bestandteil der Pflegereform sein muss. Das bedeutet im Klartext: Den nach wie vor nicht existenten rechtlichen Rahmen für Digitalisierung im Gesundheitswesen schaffen, Ausbau und Weiterentwicklung digitaler Gesundheitsdienstleistungen fördern und nicht zuletzt die Gewährleistung des Datenschutzes.
Ihre
Ingrid Korosec
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