Am 21. Juli 2024 hat Joe Biden, der mit 81 Jahren der älteste Präsident in der Geschichte der USA ist, seinen Rückzug aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit bekannt gegeben. Joe Biden hat sich damit dem wachsenden öffentlichen Druck gebeugt, der durch die weltweit ins Rampenlicht gerückte Altersdebatte entstanden ist.
Doch wann ist man wirklich alt? Wie definiert man Alter? Laut Weltgesundheitsorganisation beginnt das Alter ab 60, doch viele 65-Jährige fühlen sich, wenn man sie fragt, überhaupt nicht alt. Unsere Lebenserwartung steigt und mit ihr verändert sich auch die Relation des Alters als Zahl zum erlebten Alter. Wie heißt es schließlich so schön: „60 ist das neue 40!“
Als Präsidentin des Österreichischen Seniorenrates und des Seniorenbundes weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Alter relativ ist. Auch ich setze mich nach wie vor ehrenamtlich mit Freude und Engagement für die Rechte und Interessen der älteren Generation ein und erhalte dafür viel Zuspruch von jung und alt. Dabei sind es gerade meine jahrzehntelange Erfahrung und mein gesammeltes Wissen, die mir den nötigen Weitblick verleihen.
Inspirationen für bewundernswerte Leistungen bis ins hohe Alter gibt es viele. Ein herausragendes Beispiel ist Königin Elizabeth II., die bis zu ihrem Tod im Alter von 96 Jahren ihre Pflichten erfüllte und eine stabile Führung in Großbritannien bot. Ebenso blieb der berühmte Wissenschaftler Albert Einstein bis zu seinem Tod im Alter von 76 Jahren aktiv in der Forschung und veröffentlichte bedeutende Arbeiten.
Dennoch wurde Joe Biden zuletzt in der öffentlichen Debatte oft auf sein Alter reduziert, und seinen Kompetenzen, Leistungen und Inhalten ungleich weniger Aufmerksamkeit geschenkt als seinen Versprechern und vermeintlichen Schwächen. Doch wer von uns kennt das nicht? Auch jüngere Menschen versprechen sich, und gesundheitliche Probleme können in jedem Alter auftreten. Entscheidend ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion, um eigene Grenzen zu erkennen und entsprechend zu handeln – unabhängig vom Alter.
Den einen wird unterstellt, sie wären zu alt, die anderen werden belächelt, weil sie zu jung sind. Meiner Erfahrung nach ist Politik jedoch keine Frage des Alters, sondern von Talent, Ambitionen und Engagement. Sowohl junge als auch ältere Politiker bringen entscheidende Perspektiven und Fähigkeiten mit, die für das Funktionieren einer Demokratie unerlässlich sind. Denn wie ich immer so schön sage: „Die Jungen laufen zwar schneller, aber wir Alten kennen die Abkürzung!“
Der Fokus sollte also unabhängig vom Alter auf individuellen Fähigkeiten und Leistungen liegen und (politische) Eignung sollte anhand von Kompetenz, Vision und Engagement beurteilt werden, nicht anhand des Geburtsdatums.
Ihre Ingrid Korosec